Der Begriff ist freilich irreführend. Die großen Portal-Sites wollen nämlich nicht einfach nur Web-Surfers Eingangstor zum Internet sein. Sie wollen ihre Besucher am liebsten gar nicht mehr fortlassen. Deshalb generieren sie immer neue Inhalte und Angebote. Und hier kommen auch die Internet-Worte 1999 ins Spiel: "Auktionen" und "MP3". USER-BINDUNG DURCH ZUSATZINHALTE Alles aus einer Hand, alles unter einem Dach - was dem Fernsehen
die Einschaltquoten, sind dem Web die Visits und Page Impressions.
Folglich wird nicht gekleckert, sondern geklotzt, um die an sich eher sprunghafte
Web-Klientel möglichst oft und möglichst lange auf die eigene Website
zu ziehen. Freie Email-Accounts und Webspace sind ohnehin längst Standard, Internetzugänge - in den USA und Großbritannien sogar kostenlose - kamen hinzu. Solchermaßen aufgepumpt, umwerben die Portale den Surfer, auf dass er sie zu seiner One-Stop-Adresse mache - am besten gleich zur Startseite, denn das bedeutet jedesmal einen garantierten Hit. Die Startseite ist bekanntlich jene Seite, die vom Browser automatisch als erste aufgerufen wird. Insofern haben die beiden großen Browser-Hersteller Netscape und Microsoft einen Vorteil: Sie sorgen dafür, dass nach der Installation ihrer Software standardmäßig die eigenen Startseiten aufgerufen werden. Zwar lässt sich dies in den Browser-Einstellungen ändern, aber Novizen sind mit einer solchen Aufgabe überfordert. Netscape schlug aus dieser Konstellation zuerst Kapital. Die Communicator-Version 4.5 wurde bruchlos mit dem Netcenter verlinkt, dessen Busineß-Fixierung zugunsten einer breiteren Zielgruppe inhaltlich ausgeweitet wurde. SCHON WIEDER NETSCAPE VS. MICROSOFT Das Portalgeschäft ist für Netscape zum zweiten Standbein geworden, nachdem das Software-Busineß im Browser-Krieg gegen Microsoft aufgerieben wurde. Im Zuge einer Ausdehnung des Engagements auf andere Märkte ist es nicht verwunderlich, dass seit Oktober 1998 auch ein deutschsprachiges Netcenter existiert, das Inhalte und Suchmaschinen von Lycos/Bertelsmann, Excite, Infoseek und Web.de lizenziert hat. Microsoft hinkte zeitlich mit der Umgestaltung seines proprietären Onlinedienstes MSN zum offenen Portal hinterher. Doch es zeichnete schon immer das Geschäftsgebaren derer zu Redmont aus, nicht die ersten, dafür aber die Größten zu sein. Der Rekord-Deal von über 90 Millionen Dollar, mit dem sich ein Kreditkartenunternehmen Ende Oktober 1998 einen prominenten Platz auf der Microsoft-Startseite erkaufte, zeigte, dass die Gates-Company wieder einmal langsam, aber gewaltig auf den Markt drängt. Mit dem am 24. November 1998 verkündeten Erwerb von Netscape durch AOL für 4,2 Milliarden Dollar in Form Aktien (und "nebenbei" dem Kauf von Netscapes Server-Software durch Sun) sind die Karten allerdings neu gemischt worden. Das neue "AOL-scape Monster" (Time digital) soll am Thron des von Kartellrechtlern verfolgten Giganten Microsoft sägen. Die kommerziellen Spielwiesen, die sich den Portalen bieten, sind vielfältig. Die Schaltung von Werbung, die nach der Zahl der Seitenabrufe oder der Banner-Klicks bezahlt wird, ist nur der Anfang. Suchmaschinen schalten Werbebanner im Kontext der Suchbegriffe. Auf diese Weise kann die werbetreibende Industrie ihre Zielgruppen besser erreichen. Dank der Personalisierungs-Features lassen sich zudem die Vorlieben der registrierten Anwender eruieren und gezielt mit Werbung ansprechen. Noch liegen die Umsätze im E-Commerce weit hinter dem traditionellen Handel zurück. 1997 sollen insgesamt 4,3 Milliarden US-Dollar von Konsumenten über das Web ausgegeben worden sein. Im Vergleich zu den hochfliegenden Prognosen über die blühende Zukunft des E-Commerce ist diese Summe noch gering. Aber schon heute geben beispielsweise Online-Broker oder Online-Buchhändler Millionen Dollar aus, um als Premium-Partner bei den Portalen prominent plaziert zu werden. WEB-STARTUPS PROFITIEREN VOM INTERNET-BOOM Die Internet-Aktien treiben die Börsen in immer aberwitzigere Höhen und schürt das Fusionsfieber. Auch die Dinosaurier der Telekommunikations-, Medien- und Unterhaltungsbranchen wurden angesteckt. So kauften sich im Juni 1998 NBC bei Snap und Disney bei Infoseek ein. AOL drehte im Januar 2000 den Spieß um und kündigte den Kauf von Time Warner an. Führende Web-Companies wie Yahoo werden mittlerweile aber von der Börse so hoch bewertet, dass sie für Übernahmen unerschwinglich werden. Yahoo kauft lieber selber ein. Zum Beispiel im März 1999 den Internet-Videodienst Broadcast.com. Den bisher größten Coup landete AOL im Januar 2000: die Ankündigung eines Mergers mit Time Warner elektrisierte die Medienwelt. ALTER WEIN IN NEUEN SCHLÄUCHEN Letztlich kann der Fanatismus der Märkte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Portal-Idee ein alter Hut ist. Schon vergessen? Genau dasselbe inhaltliche Konzept - nur unter anderem Namen - haben Online-Dienste wie CompuServe, AOL und T-Online verfolgt, ehe sie ihre proprietären Standarts Stück für Stück aufgeben mussten, weil das World Wide Web immer populärer wurde. Insofern darf man es getrost als Rückschritt bezeichnen, wenn jetzt Portale getrau dem alten Konzept erneut Inhalte zusammenraffen und den Benutzer so unter ihrem Dach halten wollen - damit er sich nur nicht die Mühe macht, aufs weite Web hinauszusurfen. Diese Bevormundung sollte sich niemand gefallen lassen. |